Humoralpathologie

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Humoralpathologie

Definition, Bedeutung

Die naturwissenschaftlich als veraltet geltende, jedoch von den Geisteswissenschaften und von der rationalen Psychologie als aufschlussreich beurteilte Humoralpathologie oder Viersäftelehre wurde von den Hippokratikern in ihrer Schrift Über die Natur des Menschen (um 400 v. Chr.) ausgehend von der Elementenlehre des Empedokles (490-430 v. Chr.) als Krankheitskonzept entwickelt und von Galenos in seiner endgültigen Form niedergeschrieben. Die Ursprünge der Säftelehre können im alten Ägypten vermutet werden. Als Inhalt der Blutgefäße wurden dort weiße Galle, schwarze Galle, Blut und Schleim angenommen.

Die vier Säfte

Die vier Säfte sind

  • Blut,
  • Schleim,
  • schwarze Galle und
  • weiße oder gelbe Galle.

Jeder Saft besitzt zwei für ihn charakteristische Qualitäten:

Heiß Kalt
Trocken Gelbe Galle Schwarze Galle
Nass Blut Schleim

Tab. 1: Qualitäten Wärme und Feuchtigkeit

Die vier Säfte gingen so analog aus den Vier Elementen Feuer, Wasser, Luft und Erde hervor. Jeder dieser Säfte wird in einem eigenen Organ gebildet.

Die Ausgewogenheit der Säfte (Eukrasie) ist äquivalent mit der Gesundheit des Menschen. Krankheiten entstanden der Humoralpathologie zufolge durch Störungen (Dyskrasie) dieser Ausgewogenheit.

Das Viererschema kommt auch in der Temperamentenlehre, den vier Jahreszeiten und dem unterschiedlichen Lebensalter zur Anwendung, die alle einen integralen Bestandteil von Galens Viersäftelehre darstellen. Darüber hinaus ist die Elementelehre bzw. damit korrespondierende naturphilosophische Vorstellungen auch bei den Begriffsbildungen von Seele und Psyche nachzuweisen. Sie bestätigt sich insofern auch heute noch sprachlich bedeutsam in z.B. in wissenschaftlichen Auseinandersetzungen über terminologische Präferenzen (Seele-Psyche). - Die Übergangselemente Feuer und Wasser sind die Orientierungspunkte für das Enneagramm. Dort wird das Element Feuer unten, das Element Wasser oben, das Element Luft links und das Element Erde rechts dargesetellt. Linke und rechte Seite des Enneagramms sind daher die männlichen und weiblichen Charaktere, von denen auch C.G. Jung - ohne Bezug auf das Enneagramm - in seiner Unterscheidung von Animus und Anima spricht. Die Unterscheidung zwischen männlichen und weiblichen Charakteren im Enneagramm wird von Claudio Naranjo beschrieben. Der Begriff des Übergangselements geht auf Heraklit zurück, siehe die bereits oben angegebene Unterscheidung von Seele und Psyche im Artikel "Seele".

Saft Element Temperament (Typ) Farbe Geschmack Eigenschaft Entwicklungsprozess Geschlecht
Blut Luft Sanguiniker Rot süß Heiter Kindheit männlich
Gelbe Galle Feuer Choleriker Gelb bitter Kühn Jugend Übergangselement
Schwarze Galle Erde Melancholiker Schwarz scharf Trotzig Mannesalter weiblich
Schleim Wasser Phlegmatiker Weiß salzig Träge Greisenalter Übergangselement

Tab. 2 Elemente bzw. Säfte

Im philosophischen Lexikon von Schischkoff wird die Tafel der Temperamente entsprechend der Wortbedeutung von Temperament = richtige Mischung wie folgt als Mischung von Gefühls- und Willensqualitäten - hier leicht modifiziert - in Tab. 3 dargestellt. Sie erscheint hier insofern von Interesse, als sie die Übergänge von der Elementenlehre vor und bis Hippokrates (460-377 v.Chr.) und der sich später entwickelnden Temperamente- und Säftelehre durch Galen (131-201 n.Chr.) verdeutlicht. Sie ist inhaltlich mit Tab. 1 Qualitäten Wärme und Feuchtigkeit vergleichbar. Lediglich die Parameter wurden hier psychologisch bezeichnet, die Säfte in runde Klammern gesetzt durch die korrespondierenden Elemente ergänzt. Medizingeschichtlich bedeutsam erscheint, dass bereits Hippokrates den Charakter der Medizin als Erfahrungswissenschaft begründete. Hippokrates scheint sich jedoch an Heraklit angelehnt zu haben. Von daher ist der Gegensatzcharakter der Elemente- und Säftelehre zu verstehen. Diese Darstellung ist auch insofern als medizinhistorische Darstellung von Interesse, als hier die psychophysische Korrelation und damit das Leib-Seele-Problem angesprochen wird, einem Thema, das später wieder von Ernst Kretschmer (1888-1964) und seiner Konstitutionslehre aufgegriffen wird.

Psychologische Qualitäten Starker bzw. schneller Wille Schwacher bzw. langsamer Wille
Starkes Gefühl Feuer (Gelbe Galle) - Choleriker Erde (Schwarze Galle) - Melancholiker
Schwaches Gefühl Luft (Blut) - Sanguiniker Wasser (Schleim) - Phlegmatiker

Tab. 3 Willens- und Gefühlsqualitäten (Temperamentenlehre)

Behandlung

Galen, der das gesamte medizinische Wissen seiner Zeit zusammengefasst hatte und den Vorstellungen der Hippokratiker folgte, betonte, dass es die Aufgabe des Arztes sei, dieses Ungleichgewicht durch Diätetik, Arzneimittel oder auch chirurgische Maßnahmen wieder aufzuheben. Er übte nicht zuletzt aufgrund seiner rhetorischen Begabung und seiner Überzeugungen einen außerordentlichen Einfluss bis ins 19. Jahrhundert unserer Zeitrechnung aus. Wie Aristoteles war er überzeugt, dass die Natur vollkommen sei und nichts umsonst mache, und vertrat eine monotheistische Weltsicht.

Die von ihm vertretenen Theorien bildeten die Grundlage der Medizin der Hildegard von Bingen, der Physiognomik eines Johann Kaspar Lavaters und der Ernährungslehre. Im übrigen bezog sich auch Sebastian Kneipp bei seiner Wasserkur auf die Erkenntnisse Galens, nach denen überflüssige Säfte aus dem Körper abgeleitet werden müssten.

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Silbentrennung

Die Silben von dem Wort 'Humoralpathologie' trennt man wie folgt:

  • Hu|mo|ral|pa|tho|lo|gie
(Definition ergänzt von Amir am 10.03.2019)
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